Ulrich von Hassell: Außenpolitik gegen Hitler

Ulrich von Hassell war von 1917-1919 der erste Direktor des Verbands der Preußischen Landkreise, Vorgänger des heutigen Landkreistags, in den Jahren. Aus Anlaß des 60. Jahrestags des gescheiterten Staatsstreichs gegen Hitler vom 20. Juli 1944 ist die diesjährigen Jahrestagung des Deutschen Landkreistags der Erinnerung an Ulrich von Hassell gewidmet. Hassell stammt aus einer anderen Zeit. Die Botschaft vom 20. Juli 1944 ist gleichwohl von zeitloser Aktualität.

Ulrich von Hassell war einer der führenden Köpfe des deutschen Widerstands gegen Hitler. Er war aktiv an den Vorbereitungen für den Staatsstreich und das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligt. Bei gelungenem Putsch wäre er als Außenminister in eine Regierung Stauffenberg eingetreten. Hassell bezahlte für seinen Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime mit dem Leben. Eine Woche nachdem das Attentat auf Hitler fehlgeschlagen war, wurde Hassell von seinem Schreibtisch weg von der Gestapo verhaftet. Vor dem Volksgerichtshof wurde er von Freisler in einem Schauprozeß am 8. September 1944 zum Tod durch den Strang verurteilt. Noch am selben Tage wurde das Urteil vollstreckt und Ulrich von Hassell zusammen mit Paul Leujeune-Jung, Wilhelm Leuschner und Josef Wirmer hingerichtet.

In seinen politischen Zielen ist Hassell gescheitert. Der Putsch schlug fehl. Nach dem 20. Juli dauerte es beinahe noch ein ganzes Jahr, bis der Krieg zu Ende war. "Das andere Deutschland", für das Hassell stand, blieb Entwurf, eine Alternative zu Hitler, zu der es niemals gekommen ist. Gleichwohl hat Ulrich von Hassell seinen festen Platz in der deutschen Geschichte. Der deutsche Widerstand vom 20. Juli hat wesentlich die moralische Legitimation der Bundesrepublik ermöglicht. Ulrich von Hassell steht in seinen politischen Auffassungen für eine andere Zeit. Sein Erbe an die Gegenwart, das Erbe der Männer und Frauen vom 20. Juli 1944, bleibt gleichwohl auf zeitlose Weise unverändert gültig: feste Überzeugungen, Ritterlichkeit, Zivilcourage, Mut, Eintreten für Recht und Freiheit.

Seit 1932 vertrat Ulrich von Hassell das Deutsche Reich als Botschafter in Rom und war damit „eine der Schlüsselfiguren Hitlers beim Spiel um Italien“ (H.-A. Jacobsen) Hassell hatte wesentlichen Anteil an der Außenpolitik des Dritten Reiches in den Anfangsjahren. Dabei mußte er immer mehr erkennen, daß sich die Methoden seiner auf friedliche Revision der Ordnung der Pariser Vorortverträge gerichteten politischen Konzeption zunehmend von Hitlers Kurs unterschieden. Mit Joachim von Ribbentrops Aufstieg sank Hassells Einfluß. Er konnte die Umgestaltung der deutsch-italienischen Freundschaft zu einem weltanschaulich etikettierten und machtpolitisch gemeinten „Achsenbündnis“ nicht aufhalten. Mit der Ernennung Ribbentrops zum Reichsaußenminister von seinem Posten in Rom abberufen und in den Wartestand versetzt. Die deutsche Außenpolitik, vor allem seit September 1939 der von Hitler entfesselte Weltkrieg, waren für Hassells Entschluß zum aktiven Widerstand entscheidend; die Voraussetzungen dafür, daß er sich überhaupt zu diesem Entschluß durchringen konnte, indes sind in seinem klaren, festen Grundüberzeugungen zu suchen. Im Sommer 1939 und kontinuierlich seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs versuchte er im Ausland die Stimme eines „anderen Deutschland“ zu Gehör zu bringen, die Bedingungen für eine Kriegsbeendigung mit Deutschland ohne Hitler zu sondieren und die Brücken zur freien Welt aufrechtzuerhalten.

Pünktlich zum 60. Jahrestag des Staatsstreichs vom 20. Juli 1944 hat Ulrich Schlie auch die römischen Briefe und Tagebücher Ulrich von Hassells aus den Jahren 1932-1938 als Buch vorgelegt.

Der Historiker Ulrich Schlie, Jahrgang 1965, war im akademischen Jahr 2001/2002 Alfred-Grosser-Professor am Institut d’Etudes Politiques de Paris (Sciences Po) und unterrichtet heute an der Universität Erfurt; zahlreiche Veröffentlichungen zur europäischen Geschichte seit dem 18. Jahrhundert, zur deutschen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert sowie zur Außen- und Sicherheitspolitik; er lebt in Berlin.